Abenteuer E‑Mobilität mit unserem E‑Oldie
Neulich standen wir vor der Herausforderung, einen WLAN-Survey mit Ausleuchtung in Kiel durchzuführen. Kiel ist von Berlin aus mit der Bahn zwar gut erreichbar, aber es gibt einige Nachteile für den Transport auf der Schiene: Zum einen sind das spezielle Messequipment und die großen 4m Stative für die Ausleuchtung in der Bahn schwer transportabel. Der Standort befindet sich außerdem etwas außerhalb von Kiel.
Unsere internen Richtlinien für Reisen sehen neben Bahn und E‑Fahrzeugen Fahrten mit Verbrennern nur in Ausnahmefällen vor und unsere E‑Fahrzeuge sind klar auf Berlin und Umland ausgelegt. Als wir vor fast 5 Jahren unser erstes echtes E‑Auto, einen Nissan Leaf mit damals sagenhaften 40 kWh Akku kauften, versprach die 2. Generation des Leaf, die damals hoffnungsvoll auf den Markt kam, viel Reichweite und problemloses Schnellladen. Also auch eine gewisse Langstreckentauglichkeit zum attraktiven Preis. Mit nominell 240 km Reichweite ist er aus heutiger Sicht aber nur noch ein besseres Stadtauto und die Probleme der luftgekühlten Batterie beim Schnellladen, damals liebevoll Rapidgate getauft, machen das Ganze auch nicht besser.
Trotzdem kam die Idee auf, ob es nicht doch möglich sein sollte, die 800 km Tour statt mit einem (Verbrenner-)Mietwagen mit dem Leaf zu machen. Und am Ende fanden sich zwei Abenteuerlustige, es wagen wollten früher aufzustehen, unterwegs mehr Kaffeepausen zu machen und so den Trip Berlin-Kiel-(Survey)-Berlin an einem Tag zu schaffen.
800 km Geschäftsreise mit einem E‑Oldie
Unsere Vorbereitungen
Nach einer Routenplanung mit passenden Chademo-Schnellladesäulen (plus Ausweichstandorten) ging es morgens früh los und erst mal lief alles reibungslos. Der erste Ladestop wurde mit passendem Reststand erreicht, die Ladeleistung zeigt auch keine Spuren von Rapidgate und so konnte die Tour nach einem Kaffee und kleinem Frühstück fortgesetzt werden. Ab dem zweiten Ladestopp machte sich dann doch das fehlende Thermomanagement des Akkus bemerkbar und die Ladeleistung reduzierte sich bereits auf 32kW. Und damit wurde die Pause etwas länger.
Wir hatten mit einer Reisegeschwindigkeit von 130 km/h und mehr Ladestopps geplant, und das wurde uns dann im weiteren Verlauf zum Verhängnis. Der Akku kam nicht mehr von seiner hohen Temperatur herunter und bei den folgenden Ladestopps brach die Ladeleistung teilweise bis auf 14kW ein. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, entschlossen wir uns zu einer Änderung der Strategie und ließen den letzten Ladestopp entfallen, bei gleichzeitig reduzierter Reisegeschwindigkeit von 110–120 km/h. Viel mehr wäre auf den letzten 100 km auch verkehrsbedingt nicht möglich gewesen.
Dank unseres seeehr großzügigen Puffers waren wir noch pünktlich in Kiel. Während unserer Messungen haben wir uns dafür entschieden, den Akku abkühlen zu lassen, statt ihn mit dem Notladekabel an 220V zu laden. Und so konnte es am Nachmittag mit wieder guter Akkutemperatur auf den Weg zurück nach Berlin gehen.
Ein Stopp an einer Schnellladesäule in Kiel lieferte auch wieder gute Ladewerte und nach unserer verspäteten Mittagspause war der Akku wieder bei 92 % und wir auf dem Weg.
Als Erkenntnis aus dem Hinweg hatten wir die Routenplanung geändert und uns für weniger Ladestopps und eine langsamere Geschwindigkeit entschieden. Die Strategie ging auch lange gut auf, die Ladeleistung nahm an den ersten Stopps nur leicht ab, aber später war Akku dann doch wieder heiß und die Reichweitenanzeige fiel schneller als die Restkilometer bis zum nächsten Stopp. Da half dann nur, dass wir uns ein Stück per adaptivem Tempomaten von einem LKW haben „ziehen“ lassen.
Pünktlich eingetroffen…
Ladestopps und Erkenntnisse
Der letzte Ladestopp mit heißem Akku war dann eine echte Geduldsprobe und unser Kaffee & Kuchen-Konsum am Ende teurer als der nachgeladene Strom.
Zurück in Berlin können wir ein paar klare Erkenntnisse ziehen
- Rapidgate ist Wirklichkeit und ein luftgekühlter Akku ohne aktives Thermomanagement für Langstrecken schlicht Mist
- Ein E‑Auto mit 40 kWh Akku ist für gelegentliche Langstrecken völlig ausreichend, wenn die Schnellladung mit 50–100kW wirklich klappt
- Einen Tag kann ein solches Abenteuer mit E‑Oldie lustig sein
- Für Langstreckenfahrten benötigen wir einen Vermieter für langstreckentaugliche E‑Autos
- Trotz teurer Schnellladesäulen bleibt E‑Mobilität deutlich günstiger als Diesel oder Benzin
Die Entscheidung bei unserem Nutzungsprofil auf Fahrzeuge mit kleinen Akkus zu setzen, bleibt aus unserer Sicht weiterhin sinnvoll. Die Autos fahren immer vollgeladen vom Hof, das Berliner Umland ist mit 130 – 240 km Reichweite gut zu erschließen und wir fahren in der Stadt keine sinnlosen Akkugewichte durch die Gegend. Für die wenigen Fahrten, die wir nicht mit Bahn erledigen können, werden wir weiterhin auf Mietwagen setzen.
Insgesamt können wir mit unserem Fuhrpark von nur 5 Autos auf 37 Mitarbeitende, stolz auf unser Mobilitätskonzept aus Poolfahrzeugen, Carsharing, Bahn und ÖPNV sein und werden auch in Zukunft konsequent auf nachhaltige und möglichst CO₂-freie Mobilität setzen.
Fakten
Gefahrene Strecke: 810 km
Verbrauchter Strom: 130,84kWh
Stromkosten: 74,62€ (brutto)
Durchschnittlicher Verbrauch: 16,15kWh/100km
Dauer: Es war schon ziemlich dunkel, als wir wieder ankamen
Und wie sehen Ihre Erfahrungen aus? Wir freuen uns über Feedback.
Marc Wilhelmi, Tel. 030.467 83 97–0